Im Interview sprechen wir mit Mathias Wiedemann, Key Account Manager Energiewende & Elektromobilität bei Polarstern Energie, über die Entwicklungen im Ökostrom-Markt und die Relevanz des Themas für Unternehmen und Vereine
Frage: Herr Wiedemann, 2023 haben erneuerbare Energien in Deutschland einen Rekordanteil von 59,7 Prozent an der öffentlichen Nettostromerzeugung erreicht. War dies ein einmaliger Effekt oder sehen wir eine klare und nachhaltige Entwicklung zu immer mehr Ökostrom?
Wiedemann: 2023 war durchaus ein gutes Jahr für die erneuerbaren Energien. Der Gesamtstromverbrauch in Deutschland ist gesunken, gleichzeitig ist der Anteil der Erneuerbaren im Vorjahresvergleich um 10 Prozentpunkte gestiegen. Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung und ein gutes Momentum. Der Rekord lag zum Teil aber an der günstigen Situation, dass der Strombedarf der schwächelnden Wirtschaft mit einem starken Windjahr zusammentraf. Ob wir 2024 ein weiteres Rekordjahr sehen, hängt maßgeblich vom beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien ab. Die Bundesregierung hat das Ziel, bis 2030 rund 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es Maßnahmen und Gesetze wie das kürzlich verabschiedete Solarpaket, die das Ziel unterstützen.
Frage: Was treibt die Entwicklung beim Ausbau erneuerbarer Energien?
Wiedemann: Hier spielen Förderpolitik und gesetzliche Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle: Deutschland hat langfristige politische Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien festgelegt, darunter das Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Gesetze wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) oder jüngst das Solarpaket, bieten Anreize und fördern den Ausbau von Wind-, Solar-, Biomasse- und Wasserkraft erheblich.
Zusätzlich sind Investitionen in Technologie und Infrastruktur ein wichtiger Faktor: Es wurden und werden erhebliche Investitionen in die Entwicklung und den Ausbau erneuerbarer Energietechnologien und dazugehöriger Infrastruktur geleistet. Verbesserungen in der Effizienz von Windturbinen und Photovoltaikanlagen haben zu einer gesteigerten Stromproduktion geführt. Zudem wird in die Verbesserung des Stromnetzes und in Speichertechnologien investiert, um die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern.
Entscheidend sind auch wirtschaftliche Faktoren. So sind die Kosten für erneuerbare Energietechnologien in den letzten Jahren stark gesunken, was sie wettbewerbsfähiger gegenüber fossilen Brennstoffen macht. Dies hat zu einer verstärkten Nutzung und Investition in erneuerbare Energien geführt. Zusätzlich ist das wachsende Bewusstsein und die Unterstützung der Öffentlichkeit für umweltfreundliche Energielösungen zentral. Das erzeugt politischen Druck und zu einer erhöhten Nachfrage nach sauberer Energie, die wir bei Polarstern beobachten können.
Frage: In den letzten Jahren war das Thema Energiepreise omnipräsent. Auch bei unseren Kunden, die häufig mehrere Hunderttausend Kilowattstunden im Jahr benötigen, merken wir das. Sorgt denn das eingangs thematisierte deutlich gestiegene Angebot an Ökostrom auch für sinkende Preise?
Wiedemann: Die Strompreise bilden sich im Markt vor allem an der Strombörse. Hier greift das Merit-Order Prinzip, sprich die Betriebskosten, desjenigen Kraftwerks, das als letztes benötigt wird, um den Strombedarf zu decken, bestimmt den Marktpreis. Gerade die erneuerbaren Energien haben niedrige Kosten und ein Vorrang in der Nutzung – sprich: wenn viel erneuerbare Energien im Stromnetz sind, sinken die Preise. Neben diesem Effekt beeinflussen gerade bei Termingeschäften auch geopolitische Ereignisse, staatliche Regulierungen sowie die allgemeine wirtschaftliche Lage die Preise.
Ein steigendes Angebot an Ökostrom kann also langfristig zu günstigeren Preisen führen, besonders wenn Investitionen in die Infrastruktur und technologische Innovationen die Effizienz und Verfügbarkeit und den Einsatz von erneuerbaren Energien verbessern.
Frage: Welche Prognose sehen Sie hier für die nächsten drei bis fünf Jahre?
Wiedemann: Der steigende Anteil an erneuerbaren Energien senkt die Preise, während mittelfristig die Netzentgelte aufgrund der erforderlichen Investitionen in die Energieinfrastruktur steigen. Preislich wird es daher erst einmal eher eine Seitwärtsbewegung. Indem die Politik die Nutzung erneuerbarer Energien fördert, sie die lokale Solarstromerzeugung stärkt und mit der CO2-Abgabe die Nutzung fossiler Energien teurer wird, profitieren Unternehmen, wenn sie mehr erneuerbaren Energien nutzen.
Frage: Welche weiteren, weichen Faktoren sprechen denn aus Sicht einer Firma oder eines Sportclubs dafür, auf Ökostrom zu setzen?
Wiedemann: Unternehmen und Vereine setzen sich zunehmend ambitionierte CO2-Ziele, die sie nur mit mehr erneuerbaren Energien erreichen. Schließlich hat der Energiebedarf bei vielen Firmen einen zentralen Anteil an den verursachten Emissionen. Die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) greift schrittweise für immer mehr Unternehmen, das heißt, diese müssen auch eine CO2-Bilanz erstellen. Neben der Berichtspflicht fördern vor allem das Image und die gesellschaftliche Erwartungshaltung seitens Kund:innen und Mitarbeitenden den verstärkten und konsequenteren Einsatz von erneuerbaren Energien in Unternehmen.
Herr Wiedemann, vielen Dank für das Gespräch.
Sie möchten mehr zum Thema Ökostrom und den Möglichkeiten für Ihr Unternehmen oder Ihren Verein erfahren? Nehmen Sie gerne Kontakt auf, wir melden uns zeitnah.
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